Nachrichten aus dem Kreisverband

Das bedingungslose Grundeinkommen

Dr. Peter Behnen

DAS BEDINGUNGSLOSE GRUNDEINKOMMEN- EINE ECHTE ALTERNATIVE FÜR CORONA-ZEITEN?

Die Diskussion um ein bedingungsloses Grundeinkommen zieht sich schon über ein Jahrzehnt hin, eine Diskussion die von BefürworterInnen und GegnerInnen zum Teil erbittert ausgetragen wurde. Die jüngste Diskussion wurde nun von dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin angestoßen. Es stellt fest, dass „die derzeitige Debatte um das bedingungslose Grundeinkommen…selten auf fundiertem Wissen (beruht).“ (1) Aus diesem Grunde will eine Studie des DIW neue empirische Maßstäbe setzen und zusammen mit dem Verein „Mein Grundeinkommen“ eine Langzeitstudie Deutschland zur Wirkung des bedingungslosen Grundeinkommens erarbeiten. Es will die theoretische Debatte in die soziale Wirklichkeit überführen und herausfinden, „wie ein bedingungsloses Grundeinkommen Menschen und Gesellschaft verändert.“ (2) Es sind 1500 ProbandInnen der Langzeitstudie vorgesehen, von denen 120 nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Personen 3 Jahre lang monatlich bedingungslos 1200 Euro erhalten.

Es ist sehr wichtig, die empirischen Daten über das Verhalten der ProbandInnen zu bekommen, das kann allerdings die abgelaufene theoretische Debatte nicht vergessen lassen. Deswegen gilt es, noch einmal wichtige Argumente der Debatte zusammenzufassen.

Je mehr sich in der Bundesrepublik die Massenarbeitslosigkeit verfestigt und die Corona-Krise das ökonomische Leben beeinträchtigt, desto lauter wird auch die Forderung nach grundsätzlich neuen Lösungen für die sozialen Probleme erhoben. Insoweit ist es kein Zufall, wenn die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen für alle Bürger wieder verstärkt in die Diskussion kommt. Jeder Bürger bzw. Bürgerin soll das Anrecht erhalten, ohne jegliche Bedürfnisprüfung ein bestimmtes Grundeinkommen zu bekommen. Wenn ein Grundeinkommen von 1000 Euro pro Mont bei 83 Millionen BürgerInnen gezahlt würde, würde das etwa eine Billion Euro pro Jahr kosten, bei gesamten Staatsausgaben von knapp 1,5 Billionen Euro pro Jahr. Das hat das Statistische Bundesamt ermittelt. Die Befürworter eines bedingungslosen Grundeinkommens finden sich sowohl bei Neoliberalen als auch bei Linken. Der ehemalige Nobelpreisträger Milton Friedman machte sich schon vor Jahren für eine Art bedingungslosen Grundeinkommens stark. Das gilt ebenso für einige Mitglieder der Linkspartei, zum Beispiel für Katja Kipping und Bodo Ramelow.

Als Vertreter des Unternehmerlagers und Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens in der Bundesrepublik kann beispielsweise Götz Werner, der Gründer der Drogeriekette DM, genommen werden. Werner argumentiert, wir erlebten „produktivitätsbedingt eine Entkopplung von Arbeit und Einkommen: für Arbeit wird immer weniger Einkommen erreichbar, immer mehr Einkommen (Zinsen, Dividenden) wird hingegen ohne Arbeit erzielt…“ (3). Würden aber StaatsbürgerInnen ein Grundeinkommen erhalten, sei ihre Existenz nicht mehr gefährdet. „Wir würden ein Volk von Freiberuflern mit der sozialen Absicherung des Grundeinkommens“ (4). Das Grundeinkommen mache es möglich, die Arbeitskosten zu senken, ohne die Einkommen der Menschen zu reduzieren. Das begünstige dann auch die die Wettbewerbssituation deutscher Unternehmen im Ausland. Das Grundeinkommen sei auch eine Absicherung gegen Arbeitslosigkeit und sichere den Konsum und damit die Binnenkonjunktur. Zudem gelte: „Ohne ein Recht auf Einkommen sind die verfassungsmäßig garantierten Grundrechte wie die Würde des Menschen gegenstandslos, weil praktisch nicht realisierbar“ (5).

Die Frage ist allerdings, ob es den neoliberalen Befürwortern des bedingungslosen Grundeinkommens nur um Menschenwürde, sondern ob es nicht auch um ihre handfesten ökonomischen Interessen geht. Götz Werner sieht zwar richtig, dass leistungslose Einkommen (Zinsen, Dividenden) ein immer größeres Gewicht erlangen, jedoch würde durch ein bedingungsloses Grundeinkommen nichts am grundlegenden Problem der Hegemonie der Finanzmärkte geändert werden. Im Gegenteil, es geriete ganz aus der politischen Schusslinie. Ein Volk von Freiberuflern kann vielleicht Götz Werner als erstrebenswertes Ziel ansehen, aber nicht ArbeitnehmerInnen und ihre Gewerkschaften, die noch weiter in die Defensive gedrängt würden. Arbeitskosten zu senken ist ein Traum für Arbeitgeber und Unternehmen, insbesondere für die, die mit ausländischen Konkurrenten zu kämpfen haben. Das würde die Situation von wirtschaftlich schwächeren Ländern am Weltmarkt noch weiter untergraben, selbst wenn es gelänge, die Binnenkonjunktur bei uns anzukurbeln.

Die Diskussion bei Teilen der Linken grenzt sich natürlich strikt von der neoliberalen Sichtweise ab. Katja Kipping schreibt dazu: „Seit vielen Jahren begeistere ich mich für die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens…Es soll die Existenz sichern und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen.“ (6) Es sei höchste Zeit, eine politische Debatte darüber in der Linkspartei zu führen. Deswegen solle dem Parteitag nach den Bundestagswahlen 2021 vorgeschlagen werden, einen Mitgliederentscheid zur Frage des bedingungslosen Grundeinkommens in die Wege zu leiten. „Die Corona-Krise hat uns vor Augen geführt, wie schnell jede und jeder unverschuldet ins Bodenlose stürzen kann.“ (7) Das stellt dann auch die Linke vor das Problem, wie die Finanzierung der staatlichen Ausgaben bzw. des bedingungslosen Grundeinkommens aussehen sollte. Vorschläge gehen über die Einkommenssteuer, die Verwendung des Sozialbudgets, die Einführung einer Konsumsteuer, die Einführung einer negativen Einkommenssteuer oder die Einführung ganz neuer Steuerarten. (8) In einem Aufsatz der Zeitschrift Sozialismus kommen deswegen Ruth Becker und Eveline Linke zu dem Resümee: „ Wäre es da nicht ökonomisch, ökologisch und im Sinne des den heutigen Menschen Möglichen effizienter, das viele Geld, das hier in die Hand genommen wird, so anzulegen, dass die Basis für gewünschte Ausgaben erhalten bleibt, damit genug für alle dableibt. Statt allen (für die 20% , die es brauchen) ein kleines Geld hinzuschmeißen und zu hoffen, dass einige schon was Gescheites daraus machen, es lieber in all das zu investieren, was bei den etwas kritischeren BGE-Befürwortern so nebenbei läuft.“ (9) Gemeint sind gut bezahlte Arbeitsplätze im privaten und öffentlichen Sektor, direkte Investitionen in staatliche Dienstleistungen und in die Infrastruktur, zum Beispiel im den ÖPNV.

Ein Teil der Linken sieht allerdings im bedingungslosen Grundeinkommen eine Chance, dem Kapitalismus zu entkommen. Der Mensch sei dann der Notwendigkeit enthoben, seine Arbeitskraft zu verkaufen. Man könne im Sinne von Marx vom „Reich der Notwendigkeit“ ins „Reich der Freiheit“ entfliehen. Die Vorstellung beinhaltet jedoch eine völlig verdrehte Interpretation der Marxschen Theorie. Marx wies immer darauf hin, dass die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit rationell unter allen Gesellschaftsmitgliedern verteilt werden müsse. Was manche Linke hier anbieten, ist eine illusorische und zugleich unsolidarische Vorstellung von der Freiheit des Individuums. Die Alternative zur neoliberalen und teilweise auch linken Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen bleibt weiter die Forderung einer bedarfsorientierten Grundsicherung entlang von Einkommen und Vermögen. Das gilt auch für Corona-Zeiten. Bürgerinnen und Bürger, die ins Bodenlose zu fallen drohen, sollten den Anspruch auf eine gute ausgestattete Grundsicherung haben, ohne den Zwang, eine unzumutbare Arbeit annehmen zu müssen und ohne die Ausschnüffelung von sogenannten Bedarfsgemeinschaften. Die Diskussion in der Linken sollte sich schnell von der Forderung nach einen bedingungslosen Grundeinkommen für alle verabschieden und verstärkt auf eine gut ausgestattete bedarfsorientierte Grundsicherung, ein umfassendes sozial-ökologisches Programm und auf mittlere und längere Sicht ein schrittweise Abkehr vom finanzgetriebenen Kapitalismus orientieren.

(1)https;// www.diw.de und weiter Links

(2) a.a.O.

(3) Götz Werner, Bildung und Wissenschaft, Mai 2007 S.39

(4) a.a.O. S.39

(5) a.a.O. S.39

(6) www.katja.kipping.de und weitere Links

(7) a.a.O.

(8) Becker/Linke Sozialismus Heft 3/ 2018 S.60-62

(9) a.a.O. S.65