Nachrichten aus dem Kreisverband

Die Abwendung des harten Brexits

Dr. Peter Behnen

Dr. Peter Behnen

Die Linke Freiburg

 

Die Abwendung des harten Brexits (1)

Die jüngsten Wirtschaftsdaten Großbritanniens werden vom Premierminister Boris Johnson beschönigend dargestellt. Er erweist sich, wie viele Andere seines Faches, als genialer Blender ähnlich dem bisherigen Präsidenten der USA Donald Trump. Der aktuelle Konjunktureinbruch in Großbritannien erinnert an vergangene Kriegszeiten. Im Jahre 2020 wird die zweitgrößte Volkswirtschaft Europas aus Sicht der britischen Regierung um 11,3% schrumpfen, aus Sicht der Bank von England um 9,5 %. Das wird von verschiedenen Expertinnen und Experten pessimistischer gesehen und auch die wirtschaftliche Erholung als langwieriger als von der etablierten konservativen Politik. Großbritannien steckt in einer schweren Rezession, stärker als in allen anderen kapitalistischen Staaten. Die Entlassungen werden aller Voraussicht nach doppelt so hoch sein wie nach der Finanzkrise von 2008/2009. Im 2.Halbjahr 2020 verloren 650 000 Menschen ihren Arbeitsplatz. Mit der Mutation des Coronavirus gerät das Land in eine noch größere Isolation.

Die Gründe für den britischen Konjunktureinbruch sind vielfältig. Erstens wurde der Shutdown in Großbritannien wegen der zögerlichen Haltung Johnsons später angeordnet und dann auch erst später wieder gelockert. Das trug zur Verunsicherung von Investoren und Konsumenten bei. Zweitens ist von Bedeutung, dass Großbritanniens Dienstleistungssektor rund 80% der Gesamtwirtschaft ausmacht. Die Gastronomie, der Kulturbereich und das Entertainment wurden weitgehend stillgelegt. Drittens spielte die Unsicherheit wegen eines eventuellen harten Brexits eine wichtige Rolle, da halfen auch Beschwichtigungen der britischen Regierung nicht. Die Corona-Krise hat schonungslos die Bedeutung der internationalen Kooperation deutlich gemacht.

Inzwischen wurde kurz vor Toresschluss der harte Brexit doch noch abgewendet. Man hat sich nach langem Ringen auf ein Handelsabkommen zwischen Großbritannien und der EU geeinigt, es wurden damit die Beziehungen nach dem Ausscheiden aus der europäischen Gemeinschaft nach dem 1.1.21 geregelt. Beteiligte Politikerinnen und Politiker sprachen von einem „fairen und ausgeglichenen Deal.“ Kritischen Nachfragen wurde eher ausgewichen. Das wichtigste Ziel der Verhandlungen war, Zölle zu vermeiden und möglichst reibungslose Wirtschaftsbeziehungen zwischen Großbritannien und der EU zu erreichen. Das Abkommen garantiert Großbritannien Exporte ohne Zölle und Mengenbegrenzungen in den EU-Binnenmarkt. Im Gegenzug erhält die EU gleiche Umwelt-, Sozial- und Subventionsstandards. Boris Johnson meint nun die Souveränität und Kontrolle über die eigenen Grenzen und Gesetze zurückgewonnen zu haben, es sei der Beginn eines goldenen Zeitalters für Großbritannien zu erwarten. Klar ist, dass der jetzt vereinbarte Deal eine Eskalation der durch Corona ausgelösten schweren Wirtschaftskrise auf beiden Seiten verhindert wird. Trotzdem bleibt ein Verlassen des Binnenmarktes und der Zollunion der EU eine gefährliche und ökonomisch riskante Politik. Allerdings hätte ein No -Deal- Brexit die Wirtschaftsleistung Großbritanniens stark reduziert, Verluste werden durch das Abkommen begrenzt. Ein No- Deal- Schock wäre für die EU vermutlich kleiner ausgefallen als für Großbritannien, trotzdem bleibt die Tatsache, dass Großbritannien weiter von wichtiger Bedeutung für die EU bleiben wird. Der Handelsvertrag schafft zumindest eine Grundlage, auf der sich die Kooperation zwischen Großbritannien und der EU neu aufbauen lässt.

Es bleibt die Illusion Boris Johnsons und seiner Anhänger von einem „Global Britain.“ Das ist kein Bild der künftigen Rolle des Landes, „sondern eine lächerliche Karikatur- Phantasie und Wunschbild-Chimäre und Märchen zugleich. Einerseits drückt sie die Träumereien einer niedergehenden Oberschicht aus, andererseits ist dies das Trugbild zur Beruhigung der prekären Lohnabhängigen“ (2).

(1)Der Aufsatz fasst die Ergebnisse zweier Aufsätze aus Sozialismus aktuell vom 22.12.20 und 24.12.20 zusammen .

(2) Sozialismus aktuell vom 22.12.20 S.2