Nachrichten aus dem Kreisverband

Europäische Zentralbank contra Bundesverfassungsgericht

Dr.Peter Behnen

DIE EUROPÄISCHE ZENTRALBANK (EZB) CONTRA BUNDESVERFASSUNGSGERICHT (BVG) (1)

 

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat in einer Entscheidung festgestellt, der Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB verstoße teilweise gegen das Grundgesetz. Der Grund sei, dass die Bundesregierung und der Bundestag die EZB-Maßnahmen nicht geprüft hätten. Der Gerichtspräsident Voßkuhle dazu: „Die Bundesregierung und der Deutsche Bundestag sind aufgrund ihrer Integrationsverantwortung verpflichtet, der bisherigen Handhabung der PSPP entgegenzutreten.“

Was ist damit gemeint?

Es geht um das schon seit Jahren laufende EZB-Programm, bei dem Staatspapiere der Euroländer gekauft werden. Es trägt den Namen „Public Sector Purchase Programme“ (PSPP). Das Ziel des Programms war und ist, die Wirtschaft im Euroraum nicht in eine gefährliche Deflation rutschen zu lassen. Das Programm läuft seit 2015 und es wurden Wertpapiere im Umfang von 2,2 Billionen Euro erworben. Dadurch wurde laut EZB das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Euroraum und die Inflation um 1,9 % erhöht und die Refinanzierungskosten der Mitgliedsländer stark gesenkt. Kritik an dieser Politik wurde bereits 2017 vom Bundesverfassungsgericht geübt, es bezweifelte die Rechtmäßigkeit des Programms und legte den Fall dem Europäischen Gerichtshof vor. Das entschied allerdings, dass das EZB-Programm mit dem EU-Recht vereinbar sei.

Die Anleihekäufe der EZB erhielten nun mit der Corona-Krise eine neue Dimension, das heißt, das laufende Kaufprogramm wurde erhöht und ein Extra-Krisenprogramm zusätzlich aufgelegt. Das Extra-Programm wurde vom Verfassungsgericht nicht beanstandet. Die EZB schleust somit zusätzliches Geld in den Umlauf und betreibt eine zusätzliche Geldschöpfung. Das Ziel ist wiederum, eine Zinssenkung und weitere Begünstigung der Investitionen zu erreichen. Kritiker des Programms befürchten eine negative Wirkung auf die Sparvermögen und dass die inflationäre Entwicklung außer Kontrolle geraten und die Geld- und Vermögensordnung untergraben werden könnte. Zu den Kritikern und eigentlichen Klägern gehören die Rechtskonservativen Patrick Adenauer, der CSU-Politiker Peter Gauweiler und die ehemaligen AFD-Mitglieder Lucke und Henkel. Sie kritisieren zudem, die EZB betreibe auf diese Weise Wirtschaftspolitik und greife verschuldeten Staaten unter die Arme, betreibe also eine verbotene Staatsfinanzierung. Dieser Auffassung will sich das Verfassungsgericht allerdings nicht anschließen.

Trotzdem hat das Urteil des Verfassungsgerichts Konsequenzen. Der Deutschen Bundesbank wird nach einer Übergangsfrist von bis zu 3 Monaten untersagt, an dem EZB-Programm weiter mitzuwirken, wenn der EZB nicht der Nachweis gelingt, dass ihr Programm verhältnismäßig sei, also für die Verfolgung ihrer Ziele notwendig. Das Verfassungsgericht erklärte, das Urteil des Europäischen Gerichtshofes von 2018 sei willkürlich und nicht bindend für die Bundesrepublik. Der Bundestag und die Bundesregierung hätten die Verhältnismäßigkeit des EZB-Programms nicht geprüft und damit Grundrechte verletzt. Trotzdem sehe es nicht, dass die EZB Staatsfinanzierung zu Gunsten verschuldeter Eurostaaten betrieben habe. Es forderte aber die Deutsche Bundesbank dazu auf, auf den Abbau der Bestände an Staatsanleihen bei der EZB hinzuwirken.

Doch da ist offensichtlich die Schwierigkeit. Seit der Finanzkrise 2008ff ist es nicht gelungen, einen Abbau der Staats- und Unternehmensanleihen zu erreichen. Die Vorgabe des Verfassungsgerichtes, zu einem Abbau zu kommen, hätte schwerwiegende Folgen für die Handlungsfähigkeit der EZB. Die alte und bis heute andauernde Debatte zeigt, dass das Problem der expansiven Geldpolitik nicht lösbar ist, wenn das Problem der staatlichen Verschuldung nicht gelöst wird. Das wiederum kann nicht gelöst werden, wenn die staatliche Wirtschafts- und Finanzpolitik keine neuen Wege beschreitet und bei der Weigerung bleibt, bei der Steuer- und Verteilungspolitik anzusetzen. Das heißt, es ist notwendig, die Begünstigung hoher Einkommen und von Vermögenden zu beenden. Eine schwere Wirtschaftskrise, verstärkt durch die Corona- Epidemie, wird nur zu lösen sein, wenn auch grundlegende Eingriffe in die Produktions- und Verteilungsverhältnisse vollzogen werden. Was das Urteil des Bundesverfassungsgerichts angeht ist festzuhalten, dass es nicht möglich ist, die schwere wirtschaftliche und soziale Krise in 3 Monaten durch eine Reparatur an dem zentralen Instrument der Krisenbekämpfung der EZB auch nur ansatzweise zu bekämpfen. Im Hintergrund steht weiterhin das Problem, dass das gesamte Bank- und Finanzsystem ins Wanken geraten kann. Nur durch eine alternative Wirtschafts- und Finanzpolitik mit strikten Regulierungen auch des Finanzsektors und einer Hinwendung zu einer wirtschaftsdemokratischen Politik wird auf Dauer die krisenhafte Entwicklung beendet werden können.

 

(1)Siehe den Aufsatz von Joachim Bischoff in Sozialismus aktuell vom 5.5.20