Nachrichten aus dem Kreisverband

Ist die AFD eine Protestpartei?

Dr.Peter Behnen

IST DIE AFD EINE PROTESTPARTEI? (1)

Die Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen waren für die AFD ein großer Erfolg (Sachsen 27,5%, Brandenburg 23,5% und Thüringen 23,4%). Diese Erfolge wurden vor allem medial so verarbeitet, die AFD sei hauptsächlich deswegen gewählt worden, um den anderen Parteien einen Denkzettel zu verpassen und ein Protestverhalten auszudrücken. Dem widerspricht allerdings, dass AFD-Wähler nach Befragung sich mehrheitlich für ein rechtes Weltbild aussprachen. Es ist also nicht einfach Protest, sondern inzwischen mehrheitlich eine klare Entscheidung für das Weltbild der AFD. Dabei ist zu beachten, dass das Weltbild der AFD ein Sammelsurium von Verschwörungstheorien und Ressentiments gegenüber Flüchtlingen, Ausländern und BürgerInnen mit islamischen Glaubens darstellt, was sehr beunruhigend ist, weil es bei vielen WählerInnen Anklang findet. Es ist der AFD gelungen, zentrale Punkte ihres Weltbildes bei bestimmten Wählerinnen und Wählern unterzubringen (2). Wichtige Bausteine dieses Weltbildes sind:

1.Die Banken- und Währungskrise habe auf Basis einer Allianz von Staat und Finanzkonzernen zur Staatsverschuldung geführt und die steuerzahlende Bevölkerung sei zur Haftung herangezogen worden. Die Spekulation der Finanzkonzerne werde durch den Staat finanziert.

2.Es sei ein Verfallsprozess der Gesellschaft eingetreten, der durch einen „großen Austausch“ von Deutschen mit Ausländern bzw. Migranten besonders verstärkt werde.

3.Der Einfluss der BürgerInnen auf die Regierung gehe gegen 0.

4.Der Staat könne nicht mehr für Rechtssicherheit sorgen und führe die Gesellschaft in die Anarchie.

Auf Basis dieser Deutungsmuster geht es nicht mehr um Probleme des Kapitalismus nebst der Sozialpolitik, Rentenpolitik und Steuerpolitik, sondern aufgestaute Wut und Enttäuschung wird in Richtung Verschwörungstheorien und Ressentiments gegenüber Minderheiten gelenkt.

Die Frage ist also, wie eine nur vordergründige wirtschaftliche Prosperität mit einer Verunsicherung bei Wählerinnen und Wählern auf diese ideologische Ebene gelangen kann?

Für viele Wählerinnen und Wähler ist das Empfinden eines umfassenden Kontrollverlustes eingetreten. In einer kapitalistischen Ordnung basiert die politisch-kulturelle Stabilität auf einem gewissen Maß an ökonomischer Stabilität und auf dem Gefühl der BürgerInnen, dass es in der Gesellschaft einigermaßen gerecht zugeht. Soziale Unterschiede werden solange akzeptiert, solange das Leistungsprinzip (Meritokratisches Prinzip) eingehalten wird. Im Laufe des 21.Jahrhunderts, auch schon am Ende des 20.Jahrhunderts, mit seinen Finanzkrisen entstanden Ängste, die den meritokratischen Rahmen sprengten. Es entstand ein immer deutlicher werdender Gegensatz von Arm und Reich, Wenige häuften Reichtum an und Viele sahen, dass sie daran nicht partizipierten und ihre Zukunft und die ihrer Kinder verbaut wurde. Die Parteien der Mitte, einschließlich der SPD, schlossen sich einer marktkonformen Politik an. Deregulierung, Liberalisierung und Privatisierung wurden die entscheidenden Stichworte der Politik. Viele Menschen verloren die Kontrolle über ihr Leben und die etablierten Parteien hatten kein Rezept, das zu verhindern. Die AFD konnte, ohne wirtschafts -und sozialpolitische Alternativen bieten zu müssen, mit Verschwörungstheorien und radikaler Ablehnung des Establishments punkten. Sündenböcke wie Flüchtlinge, Menschen islamischen Glaubens und auch die EU wurden gefunden und ins politische Spiel gebracht. Netzwerke in den sozialen Medien unterstützten diesen Prozess, was selbst Auswirkungen bis in die Gewerkschaften hinein hatte. Gefordert ist somit eine harte Auseinandersetzung mit der politischen Rechten und ihren Mythen. Dazu Joachim Bischoff: „Es ist naiv, rechte Wähler ohne konfrontative Auseinandersetzung mit ihren Mythen zurückholen zu wollen. Erreicht dieser rechte Protest die staatlichen Institutionen und kann sich hier (partiell) festsetzen, wird die Zurückdrängung durch Kräfte aus der Zivilgesellschaft schwierig.“(3) Die radikale Rechte setzt darauf, dass in Zukunft die Wirtschaftskrisen ihr noch mehr Resonanz erbringen. Wenn es der Linken nicht gelingt, ihre Zukunftsvorstellungen zu verbinden mit einer überzeugenden Erklärung der Krisenprozesse und kurzfristigen Maßnahmen gegen die strukturellen Defizite der Gesellschaft ( z.B. Aufwertung der Lohnarbeit, Bekämpfung der Altersarmut und Ausbau der Infrastruktur vor allem auch im ländlichen Raum) wird es schwierig werden, die Demokratie und den Sozialstaat gegen die Rechte zu verteidigen.

(1)Die Grundlage des Aufsatzes ist der Aufsatz von: Joachim Bischoff, Die AFD und die Transformation des Parteiensystems, Sozialismus Heft 12/2019 S.14-19.

(2)Siehe Ulrich Brinkmann u.a. Wer wählt die AFD? in Zeitschrift Z September 2019

(3)Joachim Bischoff a.a.O.S.19