Nachrichten aus dem Kreisverband

Dr.Peter Behnen schreibt...

DIE JAHRHUNDERTKRISE- VERLAUF, URSACHEN UND ALTERNATIVEN(1)

Seit 2007/ 2008 haben wir es mit einer weltweiten Wirtschaftskrise zu tun, die häufig durch die etablierte Politik als normaler Konjunkturabschwung eingestuft wird, der allerdings schwerer als die vorangegangenen Abschwünge ausfalle. In diesem Bewusstsein, dass nach der schnellen Überwindung der Krise wieder in alten wirtschaftlichen und politischen Bahnen weitergegangen werden könne, lebt ein großer Teil der politischen Eliten. Im Gegensatz dazu wird von mir von einer Krise ausgegangen, die als Jahrhundertkrise durchaus in verschiedenen Facetten mit der Weltwirtschaftskrise von 1929-32 vergleichbar ist, also, was den Verlauf und die Ursachen angeht, nicht als normaler Konjunkturabschwung einzuordnen ist. Das hat zur Folge, dass auch die politischen Konsequenzen andere sein müssen, als wenn wir eine  „einfache“ Rezession vor uns hätten.

Der Verlauf der Jahrhundertkrise.

Bei der augenblicklichen Krise kommen drei Prozesse zusammen, die sich gegenseitig verstärken. Einerseits haben wir einen Konjunkturzyklus, der gerade ausläuft und der in eine langfristige Tendenz geringerer Zuwachsraten des Bruttoinlandsprodukts (BIP) eingebettet ist. Andererseits vollzieht sich eine globale Finanzkrise, die in den USA begann und auf andere kapitalistische Staaten durch verschiedene Kanäle übertragen wurde und in der Rückwirkung auf den realen Sektor (Industrie, Handel und Dienstleistungen) zurückschlug. Auch die globale Finanzkrise hat mit langfristigen Entwicklungsprozessen im Kapitalismus zu tun. Nur wenn diese Differenzierungen vorgenommen werden, kann der Charakter der Jahrhundertkrise herausgearbeitet und entsprechende politische Alternativen entwickelt werden.

Bekanntlich verläuft die Wirtschaftsentwicklung im Kapitalismus nicht gradlinig sondern ist durch die Aufeinanderfolge von Aufschwung, Hochkonjunktur, Abschwung und Rezession bis zur Krise gekennzeichnet. Der Beginn des letzten Aufschwungs ist auf das Jahr 2003/ 2004 zu datieren. Er wurde durch Modernisierungsinvestitionen und die Exportdynamik getragen und hätte, wenn er nachhaltig hätte sein sollen, durch eine entsprechende Binnenmarktentwicklung ergänzt werden müssen. Sowohl der private Verbrauch als auch der Staatsverbrauch waren jedoch keine Stützen des Konjunkturaufschwungs, bedingt durch die rückläufige reale Lohn- und Gehaltsentwicklung der Arbeitnehmer, die restriktive Finanzpolitik des Staates und die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank ( EZB). Alle genanten Komponenten trugen nicht dazu bei, einen Abschwung der Konjunkturentwicklung zu kompensieren, der notwendig deshalb eintrat, weil der Modernisierungsprozess der Investitionen im Herbst 2007 sein vorläufiges Ende fand. Die konjunkturelle Entwicklung nach 2003 ordnete sich zudem in eine langfristige Tendenz abnehmender zyklischer Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts seit den 50er Jahren ein. Schaut man sich die Jahrzehnte nach dem 2.Weltkrieg an, so stellt man fest, dass das durchschnittliche Wachstum des BIP zwischen 1950- 1960       4,4  Prozent betrug, dann auf 2,9 und 2,6 Prozent in den folgenden Jahrzehnten sank und schließlich 1,7 Prozent zwischen 1991- 2001 erreichte. Zwischen 2001- 2011 ist mit einer weiteren Senkung zu rechnen. Dieser tendenzielle Fall der Wachstumsraten des BIP entspricht Gesetzmäßigkeiten, die dem reifen Kapitalismus eigen sind.
( 1 ) Siehe: Joachim Bischoff, Die Jahrhundertkrise des Kapitalismus, Hamburg 2009.


Die aktuelle Finanzmarktkrise schließlich ist der dritte Prozess, der in der Jahrhundertkrise zum Tragen kommt. Sie nahm ihren Anfang in den USA und parallel dazu vor allem in Irland, Großbritannien und Spanien. Zu Grunde lag und liegt ein langjähriger Kreditboom im Immobiliensektor, der von der Entwicklung von Finanzinstrumenten begleitet war, die es ermöglichten, Kredite und Kreditrisiken handelbar zu machen. Man spricht in diesem Zusammenhang von der Verbriefung von Krediten. Banken und andere Finanzinstitute verwandelten einen Teil der Kredite in Wertpapiere, die sie weltweit an andere Finanzinvestoren weiterverkauften. Das war für die Finanzinvestoren wegen des erhöhten Zinses und die verkaufenden Institute aus Liquiditätsgründen von Vorteil. Indem jedoch bei den Immobilienkrediten die Eigenkapital- und Haftungsstandards vermindert wurden, entstand ein gewaltiger Finanzüberbau, der wie eine Blase zerplatzte, als die Immobilienpreise verfielen, die notleidenden Kredite zunahmen und die Refinanzierung der Banken zusammenbrach.

Diese Entwicklung zeichnete sich schon 2007 ab und schlug auf  den realen Sektor zurück. Sie verstärkte den beginnenden Konjunktureinbruch und die Tendenz zur langfristigen Verminderung der Wachstumsraten des BIP. Die Folge war, dass seit dem 2.Weltkrieg die Wirtschaft nicht nur in einzelnen Regionen sondern erstmalig global in einem noch nicht dagewesenen Ausmaß schrumpfte. Für Deutschland beispielsweise prognostiziert der Internationale Währungsfonds ( IWF ) für 2009 einen Konjunkturrückgang von etwa 6 Prozent, mit all den sozialen Konsequenzen für den Arbeitsmarkt und die soziale Sicherheit. Es ist damit zu rechnen, dass in der Bundesrepublik die Arbeitslosigkeit 2010 die 4 Millionen- Marke weit übersteigen wird.

Die Ursachen der Jahrhundertkrise.

Der Verlauf der Jahrhundertkrise muss dazu Anlass geben, im Gegensatz zur etablierten Politik, den beispiellosen Einbruch in der Wirtschaftstätigkeit nicht als Folge der Gier von Managern und verantwortungslosem Geschäftsgebaren von Finanzinstituten darzustellen sondern es muss darum gehen, die langfristig wirkenden Triebkräfte des Kapitalismus zu erfassen, die zu diesen Konsequenzen geführt haben. Entsprechend müssen die politischen Alternativen ganz andere sein, als wenn es sich um einen normalen Konjunkturabschwung handelte, wovon die etablierte Politik offensichtlich ausgeht.

Alternative Wirtschaftswissenschaftler stellen zu Recht fest, dass wir es mit einer Systemkrise zu tun haben. Diese Systemkrise entwickelte sich vor dem Hintergrund eines großen Angebots an Leihkapital, das sich in den zurückliegenden Jahren aufbaute und Ausdruck einer chronischen Überakkumulation in der Realwirtschaft ist. Diese Situation beherrscht die kapitalistischen Gesellschaften seit den 70er Jahren. Während zyklische Konjunkturverläufe typisch für kapitalistische Gesellschaften sind, haben wir es seit den 70er Jahren nicht mehr mit den gewohnten Abläufen zu tun. Selbst in Aufschwungsjahren finden nun eine massive Kapitalvernichtung und ein harter Verdrängungswettbewerb statt. Chronische Überakkumulation bedeutet jetzt, dass gesamtgesellschaftlich gesehen die Rentabilität im realen Sektor sinkt und die Unternehmen weltweit in diesem Sektor die Investitionen einschränken, weil Überkapazitäten aufgebaut wurden. Es bildeten sich riesige Geldkapitale, die alternativ im Finanzsektor untergebracht wurden. Mit den im Finanzsektor erzielten Zins- und Spekulationsgewinnen wurde versucht, die sinkenden Erträge im realen Sektor zu kompensieren. Der Finanzsektor erhielt einen massiven Bedeutungszuwachs gegenüber den nicht- finanziellen Sektoren. Diese Tendenz wurde durch die etablierte Politik der Liberalisierung und Deregulierung des Finanzwesens, der Einkommens-und Vermögenspolitik zu Gunsten von
Besserverdienenden sowie der Privatisierung von Sozialsystemen noch kräftig unterstützt. Der Finanzsektor entwickelte immer vielfältigere Finanzprodukte, das finanzgetriebene Wachstum auch im realen Sektor wurde zum Standard der großen Kapitalgesellschaften. Das Management in den großen Kapitalgesellschaften (Aktiengesellschaften und GmbHs) richtete die Geschäftspolitik an den Daten des Finanzmarktes aus, das nennt man Shareholder- Value- Orientierung.  Aktienkäufe, feindliche Übernahmen und das Management von Wertpapiergeschäften bestimmten das Bild, nicht zuletzt durch den Druck von Fonds, Vermögensgesellschaften und anderen institutionellen Anlegern. Gleichzeitig nahm für die privaten und öffentlichen Haushalte die Verschuldung zu. Sie wurden auf Grund rückläufiger Einkommen bzw. Einnahmen in die Verschuldungsökonomie getrieben und trugen auf diese Weise dazu bei, dass die Interessen von Finanzinvestoren noch dominanter wurden.

Dieses finanzgetriebene Wachstum ist allerdings auf die Dauer zerstörerisch und investitions- und innovationsfeindlich. Es kommt nicht mehr zu einer konsequenten  <//span>Entwicklung von Innovationen im realen Sektor, sondern ein größerer Teil des Kapitals wird in unproduktiver Weise verwendet, vor allem zur Entwicklung und zum Erwerb unsinniger Finanzprodukte. Es entwickelt sich eine Ökonomie, in der über Schneeballsysteme spekulative Blasen aufgebaut werden, deren Platzen nur eine Frage der Zeit ist. Damit war und ist das Ende des finanzgetriebenen Kapitalismus eingeläutet und es entstehen die Fragen , auf welche Weise die Jahrhundertkrise zu lösen ist, die Entwicklung des Kapitalismus weitergehen kann bzw. welche alternativen gesellschaftlichen Optionen vorstellbar und durchsetzbar sind.

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 Alternativen zum finanzgetriebenen Kapitalismus.   <//font><//font><//font><//u>

Vor dem Beginn des Crash im Sommer 2007 war das internationale Finanzwesen wertmäßig knapp viermal so groß wie die weltweite Realökonomie. Da diese Finanzpyramide mit Ansprüchen an die reale Ökonomie verbunden ist, war es nur eine Frage der Zeit, dass diese Ansprüche durch die Vernichtung von Eigentumstiteln zurückgeschraubt werden mussten, um das Ungleichgewicht zu beseitigen. Die Krise der Finanzmärkte traf mit dem Abschwung der Konjunktur zusammen, daraus erklärt sich die Wucht der Talfahrt, mit der die etablierte Politik konfrontiert wurde.<//font><//font><//font>

Die etablierte Politik versuchte anfangs das Problem herunterzuspielen, um dann durch Bürgschaften und Finanzhilfen verschiedene Finanzinstitute vor dem Zusammenbruch zu retten. Das heißt, der Steuerbürger wurde schon früh zur Kasse gebeten. Inzwischen ist damit zu rechnen, dass auch durch die Einrichtung von „Bad Banks“ nicht die Verursacher der Finanzkrise sondern letztlich die Allgemeinheit die Kosten tragen wird. Die gesamte bisherige Stabilisierungspolitik droht jedoch ins Leere zu laufen, weil die sogenannten „ toxischen Wertpapiere und Kredite“ ein solches Volumen umfassen, dass ihre Entwertung in der Kürze der Zeit kaum aufzufangen ist. Es kommt hinzu, dass von Seiten der etablierten Politik zwar viel für Finanzinstitute getan wurde, aber bisher nur sehr zögerlich Industrieunternehmen sowie Handels- und Dienstleistungsunternehmen <//font><//font><//font>

und vor allem auch private Haushalte gestützt wurden. Das würde allerdings sehr grundlegende Eingriffe in die Unternehmensstrukturen und Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Gesellschaft erfordern, wovor die Politik zurückweicht. Andererseits ist klar, dass  <//span>eine sozial verträgliche Rückführung der Schuldenberge der privaten Haushalte  <//span>vor allem am Hypothekenmarkt der USA eine wichtige Voraussetzung darstellt, um den Hypothekenmarkt und andere Märkte zu stabilisieren. Antikrisenprogramme müssen eine so hohe Dosierung besitzen, dass sie zu einer wirklichen ökonomischen Entspannung beitragen, trotz einer vorübergehenden massiven öffentlichen Verschuldung. Auf mittlere Sicht ist jedoch eine harte Besteuerung hoher Privateinkommen, Unternehmenseinkommen und Vermögenseinkommen unabdingbar.<//font><//font><//font>

 

International wird es Aufgabe der Politik sein, eine neue Finanzarchitektur zu entwickeln. Das war schon für den Finanzgipfel der G20 in London für April 2009 angekündigt. Die Ergebnisse des Gipfels waren allerdings mager. Es wurden zwar die Mittel für den IWF aufgestockt, was nicht gering zu schätzen ist, aber von einem neuen Weltwährungssystem mit einer neu zu schaffenden Leitwährung und engen Wechselkursschwankungsbreiten ist man noch meilenweit entfernt. Außerdem blieb unklar, wie man mit den „ toxischen Krediten und Wertpapieren“ verfahren will. Eine Lösung dieses Problems ist grundlegend für einen Neuanfang. Die Verabschiedung von Konjunkturpaketen war ebenfalls heftig umstritten, als besonderer Bremser trat hier die Bundesregierung auf.<//font><//font><//font>

Insgesamt muss festgehalten werden, dass man noch weit davon entfernt ist, eine wirklich grundlegende Veränderung der Finanzarchitektur vorzunehmen. Dabei spielt die Verstaatlichung von Finanzinstituten eine wichtige Rolle. Sie muss darauf gerichtet sein, die Verteilung der Verluste aus Wertpapieren und Krediten sozial gerecht zu steuern, das heißt mit einer weitgehenden Verlustbeteiligung vermögender Anleger. Letztlich muss es darum gehen, schrittweise das Übergewicht des Finanzsektors gegenüber der Realwirtschaft abzubauen. Wichtige Hebel können sein, alle Arten von Finanz- und Devisentransaktionen zu besteuern, der Vermögenskonzentration durch Besteuerung entgegenzuwirken und die Privatisierung von Sozialsystemen und öffentlichen Infrastruktureinrichtungen zu stoppen und schrittweise rückgängig zu machen. <//font><//font><//font>

Was die Realwirtschaft angeht, wäre ein groß dimensioniertes europäisches Investitionsprogramm von Nöten, vor allem im Infrastrukturbereich, Transportwesen, Bildungsbereich, Umweltsektor etc. Das erfordert eine alternative Steuerpolitik, die sicherstellt, das hohe Einkommen, Unternehmenserträge und Vermögen stärker zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben herangezogen werden. Die Veränderung der Verteilungsstrukturen muss zum Hebel für eine grundlegende Veränderung von Wirtschaft und Gesellschaft gemacht werden. Der Ausbau des öffentlichen Sektors muss schließlich in eine neue Qualität der öffentlichen Steuerung und Kontrolle von Investitionen im realen Sektor und im Finanzwesen einmünden. Dieses Ziel lässt sich unter dem Stichwort „Demokratisierung der Wirtschaft“ zusammenfassen.<//font><//span>