Nachrichten aus dem Kreisverband

Staatsschulden ohne Ende?

Peter Dr.Behnen

DR.PETER BEHNEN

DIE LINKE FREIBURG

 

STAATSSCHULDEN OHNE ENDE? (1)

Um die Entwicklung der staatlichen Schulden und ihre Problematik näher beurteilen zu können, gilt es die Geldpolitik der Zentralbanken zu analysieren. Die Zentralbanken, insbesondere auch die Europäische Zentralbank (EZB), gelten als „Lender of last resort“, das bedeutet, ihnen wird die Fähigkeit zugeschrieben, dem Bankensystem und dem Staat unbegrenzt Geldmittel zukommen zu lassen. Das bedeutet auch, staatliche Ausgaben seien ohne Ende finanzierbar, ein beliebtes Argument der sogenannten „modernen Geldtheorie.“ Aus Sicht des marxistischen Ansatzes soll dieser Sichtweise hier vehement widersprochen werden. Es muss dazu die zyklische ökonomische Entwicklung in den Fokus genommen werden.

Eine forcierte Geldschöpfung der Zentralbanken schlägt in Zeiten der Prosperität, also im Nachkriegszyklus bis zur Mitte der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts, in inflationäre Preissteigerungen um, wenn die Kapazitätsgrenzen des fixen Kapitals (Maschinen, Rohstoffe) erreicht und überschritten werden. Seit der Mitte der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts setzt allerdings eine strukturelle Veränderung des Kapitalismus ein, die Prosperität ist beendet und die expansive Geldpolitik der Zentralbanken stößt auf Verwertungsprobleme der privaten Kapitale. Der systembedingte Fall der durchschnittlichen Profitrate der privaten Kapitale erreichte einen Punkt, an dem auch die Profitmasse langsamer wuchs. Das bedeutete für einen Teil des privaten Kapitals, dass Verwertungsprobleme entstanden verbunden mit nachlassender Kreditnachfrage dieser Unternehmen und Absatzproblemen bei privaten Haushalten. Marxisten nannten die Situation eine Chronische Überakkumulation (2). Ein Teil des privaten Kapitals wurde an die Finanzmärkte umgeleitet mit dem Ziel, über Kurssteigerungen und Spekulationen mit Wertpapieren und Immobilien den Verwertungsproblemen und im Extremfall dem Niedergang ihres Kapitals zu entkommen. Das wiederum hatte zur Folge, dass auf den Finanzmärkten Vermögenspreisblasen entstanden. Genau das führte zur Finanzmarktkrise 2007/2008 und Weltwirtschaftskrise 2010 und auch verschieden Formen der Eurokrise danach. Die Zentralbanken versuchten gegenzusteuern, doch der eigentliche Lackmustest entspringt aus ihrer Geldpolitik zur Stützung der Banken, des Börsengeschehens und zur Abwendung einer Staatsfinanzkrise. Die Politik der Zentralbanken war und ist darauf fokussiert, die Zentralbankgeldmenge massiv zu steigern um Investitionen im produktiven Sektor (Industrie und Dienstleistungen) zu stimulieren. Unter den heutigen Bedingungen wurden dadurch aber vor allem Preisschübe an den Finanzmärkten befördert, mit teilweise negativen Rückwirkungen auf den produktiven Sektor. Es werden neue Vermögenspreisblasen aufgebaut. Öffentliche und private Haushalte aber auch der produktive Sektor können ihre Kreditverschuldung nicht unbegrenzt weiterführen, insbesondere dann nicht, wenn die Verwertungsblockaden des privaten Kapitals nicht aufgehoben werden. Diese sind allerdings, wie bereits ausgeführt, durch die Struktur des kapitalistischen Systems bedingt. Die Zentralbanken befinden sich somit in einem Dilemma: Betreiben sie den Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik, um die Spekulation an den Finanzmärkten zu bekämpfen, verschärfen sie die Probleme im produktiven Sektor und riskieren sie einen weiteren Niedergang dieses Sektors. Setzen sie die expansive Geldpolitik fort, befördern sie die Spekulation an den Finanzmärkten und riskieren deren Zusammenbruch. Kompliziert wird die Lage noch weiter, weil die USA und China um die Hegemonie an den Weltmärkten kämpfen und eventuell Handelskriege angesagt sind. Vor diesem Hintergrund kann das Finanzsystem zusammenbrechen und, wenn sich das in großen Weltregionen ereignet, zu einem Abrutschen des Kapitalismus in die Barbarei führen. Als Alternative ist eine Abwendung von der kapitalistischen Produktionsweise notwendig. Es ist eine sozialistische Marktwirtschaft einzuführen, der Einfluss des privaten Profits zurückzudrängen, die Hegemonie der Finanzmärkte zu beenden und die gesamte Volkswirtschaft einer demokratischen Steuerung zu unterwerfen. Auf diese Weise kann auch dargestellt werden, dass sich die „moderne Geldtheorie (MMT)“ auf einem Irrweg befindet.

1.Die MMT geht nicht vom System der gesellschaftlichen Arbeit und der kapitalistischen Warenproduktion aus, um Geld und Kredit zu erklären. Geld und Kredit sind für die MMT durch den Staat und die Zentralbanken geschaffene und gesteuerte Medien. Sie entstehen quasi durch eine einfache Buchung auf den Konten bei Banken und Zentralbanken.

2. Auf dieser Basis können laut MMT Staat und Zentralbank autonom die Geldschöpfung betreiben und seien nicht an die Finanzierbarkeit von Staatsausgaben gebunden. Bei der MMT fehlt der komplette Rückbezug auf die Gesetze der Kapitalverwertung und die Struktur der kapitalistischen Produktionsweise.

3. Weil in der Zeit der Prosperität eine beschleunigte und scheinbar autonome Geld- und Kreditschöpfung möglich ist, glauben die Vertreter der MMT ein allgemeingültiges ökonomisches Gesetz entdeckt zu haben. Es wird unterschlagen, dass dieser Prozess in der Krise schon wieder beendet ist und für die privaten Kapitale der Zwang entsteht, Schulden abzubauen und Kosten zu senken um die Kapitalverwertung wieder zu steigern.

4. Die MMT unterschlägt die Einbettung der Volkswirtschaft in die internationale Konkurrenz. Die unbeschränkte Geld- und Kreditschöpfung bei einer einzelnen Währung führt zu inflationären Prozessen und, wenn sie das Maß anderer Währungen überschreitet, zu einer Verschlechterung der nationalen Leistungsbilanz und destabilisierenden Kapitalbewegungen. Es kommt zu einer Schuldenkrise, die Situation vieler Staaten in den letzten Jahrzehnten spricht da eine deutliche Sprache.

5. Für die Politik der Linken bedeutet das, dass die Propagierung einer exzessiven Schuldenpolitik kontraproduktiv ist, und auch in und nach der Coronakrise eine ökonomisch ausgewiesene Politik der Ausweitung der öffentlichen Investitionen und sozialer Transfers notwendig ist. Es ist eine aktive öffentliche Strukturpolitik und eine demokratische Steuerung des Wirtschaftslebens betrieblich und national vonnöten, Das bedeutet allerdings eine schrittweise Abwendung von der kapitalistischen Produktionsweise.

6.Staatsschulden im Kapitalismus stoßen somit auf Grenzen, die Systemgrenzen dieser Wirtschaftsordnung sind.

(1)Der Aufsatz hat den Text von Stephan Krüger und Klaus Müller: Das Geld im 21.Jahrhundert, Köln 2020, S.96-150 zur Grundlage.

(2) Siehe hierzu: Politische Kommentare von Dr. Peter Behnen: Die chronische Überakkumulationskrise, Internetseite der Partei Die Linke Freiburg vom 30.4.2020